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Hör-Philosophie

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By Benjamin Lucas

Wissen aus erster Hand. Philosophische Texte von Kant, Hegel, Schopenhauer, Nietzsche, Plotin, Aristoteles...
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Seneca: Über die Muße

Hör-PhilosophieJan 30, 2023

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Seneca: Über die Muße

Seneca: Über die Muße

Massengeselligkeit ist durch die Wucht der Einstimmigkeit für uns eine Schule der Fehler. Mögen wir auch sonst nichts für unser Seelenheil tun, die Abgeschiedenheit ist doch an und für sich schon von Nutzen: wir werden uns bessern, wenn wir vereinzelt sind. Können wir uns doch beschränken auf den Umgang mit den trefflichsten Männern und uns ein Muster auserwählen, nach dem wir uns in unserer Lebensführung richten, eine Möglichkeit, die uns nur durch die Abgeschiedenheit vom Geschäftsleben gewährt wird. Nur dann kann man sich das zu eigen machen, was einmal unseren Beifall gefunden hat, wenn sich niemand dazwischen schiebt, der unser noch nicht zum festen Grundsatz gewordenes Urteil unter Beihilfe des großen Haufens in andere Bahnen lenkt; dann kann das Leben in gleichmäßigem und einheitlichem Zuge fortschreiten, das wir gemeinhin durch die sich widersprechendsten Vorsätze in Zwiespalt mit sich bringen; denn unter den sonstigen Übeln ist dies das schlimmste, daß wir mit den Fehlern selbst wechseln. ... Dazu achte noch darauf, daß man nach dem Grundsatz des Chrysippus in Muße leben darf, nicht etwa nur in dem Sinn, daß man sie nicht abzuweisen brauche, sondern in dem, daß man sie sich selber erwählt. Wir Stoiker sind weit entfernt, zu behaupten, der Weise werde sich jedem beliebigen Staatswesen widmen. Was aber macht es für einen Unterschied, auf welche Art und Weise der Weise zur Muße gelangt, ob deshalb, weil sich für ihn kein Staatswesen findet, oder deshalb, weil er selbst sich nicht in das Staatswesen findet, es müßte denn allenthalben sich ein wirkliches Gemeinwesen finden? Ein solches aber wird uns bei scharfen Anforderungen immer fehlen. Ich frage, welchem Staatwesen sich der Weise widmen soll, dem der Athener, wo ein Sokrates verurteilt wird, aus dem ein Aristoteles entfliehen muß, um sich der Verurteilung zu entziehen, wo die Gehässigkeit aller Tugend den Garaus macht? Du wirst nicht zugeben, daß der Weise sich einem solchen Staatswesen widmen werde. Wird sich also der Weise etwa in den Dienst des Karthager-Staates stellen wollen, wo ewiger Aufruhr herrscht und der Freiheitssinn jedem Ehrenmann gefährlich wird, wo Recht und Sittlichkeit nichts gilt, wo gegen Feinde unmenschliche Grausamkeit und gegen die eigenen Bürger Feindseligkeit herrscht? Auch diesen Staat wird er meiden. Wollte ich sie alle, einen nach dem anderen, durchgehen, ich werde keinen finden, der sich den Weisen oder den der Weise sich gefallen lassen könnte. Findet sich nun nirgends jener Staat, der unserem Geiste vorschwebt, so tritt der Fall ein, daß die Muße für alle notwendig wird, weil sich nirgends dasjenige findet, das vor der Muße den Vorzug erhalten könnte. Wenn einer behauptet, es sei das Beste, zu Schiff zu gehen, dann aber die Warnung hinzufügt, man dürfe sich nicht auf ein Meer begeben, wo Schiffbrüche an der Tagesordnung und plötzliche Stürme die Regel sind, die dem Steuermann das Spiel gänzlich verderben, dann, glaube ich, verwehrt er mir die Anker zu lichten, wenngleich er die Seefahrt preist.

Jan 30, 202328:30
Wie lässt sich Krieg verhindern? William James (1909): Das moralische Äquivalent des Krieges (The Moral Equivalent of War).

Wie lässt sich Krieg verhindern? William James (1909): Das moralische Äquivalent des Krieges (The Moral Equivalent of War).

Wie lässt sich Frieden sichern? Nur indem man die Widerstände ernst nimmt, die sich gegen den Frieden regen, meint der Pazifist und Philosoph William James. Ursachen des Krieges, so James, seien nicht nur Gier und Machtlust, sondern auch ethische und ästhetische Widerstände gegen das vermeintlich zu zahme Leben im Frieden. Nach militaristischer Auffassung würde eine Gesellschaft ohne Krieg zum "Lämmerparadies" verkommen; wertvolle kämpferische Tugenden würden verloren gehen. Dagegen argumentiert James, dass sich kämpferische Werte wie Härte, Disziplin und Entschlossenheit auch anderswo ausbilden lassen: im gemeinsamen Kampf gegen die Naturkräfte und für eine gerechtere Gesellschaft. 



Feb 13, 202218:57
Wofür brauchen wir eine Philosophie der Moral? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten I.4 (Fortsetzung)

Wofür brauchen wir eine Philosophie der Moral? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten I.4 (Fortsetzung)

Was ich also zu thun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, dazu brauche ich gar keine weit ausho|lende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in Ansehung des Weltlaufs, unfähig auf alle sich eräugnende Vorfälle desselben gefaßt zu sein, frage ich mich nur: Kannst du auch wollen, daß deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde? Wo nicht, so ist sie verwerflich und das zwar nicht um eines dir oder auch anderen daraus bevorstehenden Nachtheils willen, sondern weil sie nicht als Princip in eine mögliche allgemeine Gesetzgebung passen kann; für diese aber zwingt mir die Vernunft unmittelbare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht einsehe, worauf sie sich gründe (welches der Philosoph untersuchen mag), wenigstens aber doch so viel verstehe: daß es eine Schätzung des Werthes sei, welcher allen Werth dessen, was durch Neigung angepriesen wird, weit überwiegt, und daß die Nothwendigkeit meiner Handlungen aus reiner Achtung fürs praktische Gesetz dasjenige sei, was die Pflicht ausmacht, der jeder andere Bewegungsgrund weichen muß, weil sie die Bedingung eines an sich guten Willens ist, dessen Werth über alles geht.

So sind wir denn in der moralischen Erkenntniß der gemeinen Menschenvernunft bis zu ihrem Princip gelangt, welches sie sich zwar freilich nicht so in einer allgemeinen Form abgesondert denkt, aber doch jederzeit wirklich vor Augen hat und zum Richtmaße ihrer Beurtheilung braucht. Es wäre hier leicht zu zeigen, wie | sie mit diesem Compasse in der Hand in allen vorkommenden Fällen sehr gut Bescheid wisse, zu unterscheiden, was gut, was böse, pflichtmäßig, oder pflichtwidrig sei, wenn man, ohne sie im mindesten etwas Neues zu lehren, sie nur, wie Sokrates that, auf ihr eigenes Princip aufmerksam macht, und daß es also keiner Wissenschaft und Philosophie bedürfe, um zu wissen, was man zu thun habe, um ehrlich und gut, ja sogar um weise und tugendhaft zu sein. Das ließe sich auch wohl schon zum voraus vermuthen, daß die Kenntniß dessen, was zu thun, mithin auch zu wissen jedem Menschen obliegt, auch jedes, selbst des gemeinsten Menschen Sache sein werde. Hier kann man es doch nicht ohne Bewunderung ansehen, wie das praktische Beurtheilungsvermögen vor dem theoretischen im gemeinen Menschenverstande so gar viel voraus habe. In dem letzteren, wenn die gemeine Vernunft es wagt, von den Erfahrungsgesetzen und den Wahrnehmungen der Sinne abzugehen, geräth sie in lauter Unbegreiflichkeiten und Widersprüche mit sich selbst, wenigstens in ein Chaos von Ungewißheit, Dunkelheit und Unbestand. Im praktischen aber fängt die Beurtheilungskraft dann eben allererst an, sich recht vortheilhaft zu zeigen, wenn der gemeine Verstand alle sinnliche Triebfedern von praktischen Gesetzen ausschließt. Er wird alsdann sogar subtil, es mag sein, daß er mit seinem Gewissen oder anderen Ansprüchen in Beziehung auf das, was recht heißen soll, chicaniren, oder | auch den Werth der Handlungen zu seiner eigenen Belehrung aufrichtig bestimmen will, und was das meiste ist, er kann im letzteren Falle sich eben so gut Hoffnung machen, es recht zu treffen, als es sich immer ein Philosoph versprechen mag, ja ist beinahe noch sicherer hierin, als selbst der letztere, weil dieser doch kein anderes Princip als jener haben, sein Urtheil aber durch eine Menge fremder, nicht zur Sache gehöriger Erwägungen leicht verwirren und von der geraden Richtung abweichend machen kann. Wäre es demnach nicht rathsamer, es in moralischen Dingen bei dem gemeinen Vernunfturtheil bewenden zu lassen und höchstens nur Philosophie anzubringen, um das System der Sitten desto vollständiger und faßlicher, imgleichen die Regeln derselben zum Gebrauche (noch mehr aber zum Disputiren) bequemer darzustellen, nicht aber um selbst in praktischer Absicht den gemeinen Menschenverstand von seiner glücklichen Einfalt abzubringen und ihn durch Philosophie auf einen neuen Weg der Untersuchung und Belehrung zu bringen? ...


Jan 31, 202209:20
Liegt der moralische Wert einer Handlung in der erwarteten Wirkung? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten I.3 (Fortsetzung)

Liegt der moralische Wert einer Handlung in der erwarteten Wirkung? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten I.3 (Fortsetzung)

Der zweite Satz ist: eine Handlung aus Pflicht hat ihren moralischen Werth nicht in der Absicht, welche dadurch erreicht werden soll, sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen wird, hängt also nicht von der Wirklichkeit des Gegenstandes der Handlung ab, sondern blos von dem Princip des Wollens, nach welchem die Handlung unangesehen aller Gegenstände des Begehrungsvermögens geschehen ist. Daß die Absichten, die wir bei Handlungen haben mögen, und ihre Wirkungen, als Zwecke und Triebfedern des Willens, den Handlungen keinen unbedingten und moralischen Werth ertheilen können, ist aus dem vorigen klar. Worin kann also dieser Werth liegen, wenn er nicht im | Willen in Beziehung auf deren verhoffte Wirkung bestehen soll? Er kann nirgend anders liegen, als im Princip des Willens unangesehen der Zwecke, die durch solche Handlung bewirkt werden können; denn der Wille ist mitten inne zwischen seinem Princip a priori, welches formell ist, und zwischen seiner Triebfeder a posteriori, welche materiell ist, gleichsam auf einem Scheidewege, und da er doch irgend wodurch muß bestimmt werden, so wird er durch das formelle Princip des Wollens überhaupt bestimmt werden müssen, wenn eine Handlung aus Pflicht geschieht, da ihm alles materielle Princip entzogen worden. 

Den dritten Satz als Folgerung aus beiden vorigen würde ich so ausdrücken: Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus Achtung fürs Gesetz. Zum Objecte als Wirkung meiner vorhabenden Handlung kann ich zwar Neigung haben, aber niemals Achtung, eben darum weil sie bloß eine Wirkung und nicht Thätigkeit eines Willens ist. Eben so kann ich für Neigung überhaupt, sie mag nun meine oder eines andern seine sein, nicht Achtung haben, ich kann sie höchstens im ersten Falle billigen, im zweiten bisweilen selbst lieben, d.i. sie als meinem eigenen Vortheile günstig ansehen. Nur das, was bloß als Grund, niemals aber als Wirkung mit meinem Willen verknüpft ist, was nicht meiner Neigung dient, sondern sie überwiegt, wenigstens diese von deren Überschlage | bei der Wahl ganz ausschließt, mithin das bloße Gesetz für sich kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot sein. Nun soll eine Handlung aus Pflicht den Einfluß der Neigung und mit ihr jeden Gegenstand des Willens ganz absondern, also bleibt nichts für den Willen übrig, was ihn bestimmen könne, als objectiv das Gesetz und subjectiv reine Achtung für dieses praktische Gesetz, mithin die Maxime*, einem solchen Gesetze selbst mit Abbruch aller meiner Neigungen Folge zu leisten. 

Es liegt also der moralische Werth der Handlung nicht in der Wirkung, die daraus erwartet wird, also auch nicht in irgend einem Princip der Handlung, welches seinen Bewegungsgrund von dieser erwarteten Wirkung zu entlehnen bedarf. Denn alle diese Wirkungen (Annehmlichkeit seines Zustandes, ja gar Beförderung fremder Glückseligkeit) konnten auch durch andere Ursachen zu Stande gebracht werden, und es brauchte also dazu nicht des Willens eines vernünftigen Wesens, worin gleichwohl das höchste und unbedingte Gute allein angetroffen werden kann. Es kann daher nichts anders als die Vorstellung des Gesetzes an sich selbst, die | freilich nur im vernünftigen Wesen stattfindet, so fern sie, nicht aber die verhoffte Wirkung der Bestimmungsgrund des Willens ist, das so vorzügliche Gute, welches wir sittlich nennen, ausmachen, welches in der Person selbst schon gegenwärtig ist, die darnach handelt, nicht aber allererst aus der Wirkung erwartet werden darf.

Jan 19, 202213:43
Haben Handlungen aus Liebe moralischen Wert? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten I.2 (Fortsetzung)

Haben Handlungen aus Liebe moralischen Wert? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten I.2 (Fortsetzung)

Ich übergehe hier alle Handlungen, die schon als pflichtwidrig erkannt werden, ob sie gleich in dieser oder jener Absicht nützlich sein mögen; denn bei denen ist gar nicht einmal die Frage, ob sie aus Pflicht geschehen sein mögen, da sie dieser sogar widerstreiten. Ich setze auch die Handlungen bei Seite, die wirklich pflichtmäßig sind, zu denen aber Menschen unmittelbar keine Neigung haben, sie aber dennoch ausüben, weil sie durch eine andere Neigung dazu getrieben werden. Denn | da läßt sich leicht unterscheiden, ob die pflichtmäßige Handlung aus Pflicht oder aus selbstsüchtiger Absicht geschehen sei. Weit schwerer ist dieser Unterschied zu bemerken, wo die Handlung pflichtmäßig ist und das Subject noch überdem unmittelbare Neigung zu ihr hat. Z.B. es ist allerdings pflichtmäßig, daß der Krämer seinen unerfahrnen Käufer nicht übertheure, und, wo viel Verkehr ist, thut dieses auch der kluge Kaufmann nicht, sondern hält einen festgesetzten allgemeinen Preis für jedermann, so daß ein Kind eben so gut bei ihm kauft, als jeder andere. Man wird also ehrlich bedient; allein das ist lange nicht genug, um deswegen zu glauben, der Kaufmann habe aus Pflicht und Grundsätzen der Ehrlichkeit so verfahren; sein Vortheil erforderte es; daß er aber überdem noch eine unmittelbare Neigung zu den Käufern haben sollte, um gleichsam aus Liebe keinem vor dem andern im Preise den Vorzug zu geben, läßt sich hier nicht annehmen. Also war die Handlung weder aus Pflicht, noch aus unmittelbarer Neigung, sondern bloß in eigennütziger Absicht geschehen.

Dagegen sein Leben zu erhalten, ist Pflicht, und überdem hat jedermann dazu noch eine unmittelbare Neigung. Aber um deswillen hat die oft ängstliche Sorgfalt, die der größte Theil der Menschen dafür trägt, doch keinen innern Werth und die Maxime derselben keinen moralischen |IV398 Gehalt. Sie bewahren ihr Leben zwar pflicht|mäßig aber nicht aus Pflicht. Dagegen wenn Widerwärtigkeiten und hoffnungsloser Gram den Geschmack am Leben gänzlich weggenommen haben; wenn der Unglückliche, stark an Seele, über sein Schicksal mehr entrüstet als kleinmüthig oder niedergeschlagen, den Tod wünscht und sein Leben doch erhält, ohne es zu lieben, nicht aus Neigung oder Furcht, sondern aus Pflicht: alsdann hat seine Maxime einen moralischen Gehalt.

Wohlthätig sein, wo man kann, ist Pflicht, und überdem giebt es manche so theilnehmend gestimmte Seelen, daß sie auch ohne einen andern Bewegungsgrund der Eitelkeit oder des Eigennutzes ein inneres Vergnügen daran finden, Freude um sich zu verbreiten, und die sich an der Zufriedenheit anderer, so fern sie ihr Werk ist, ergötzen können. Aber ich behaupte, daß in solchem Falle dergleichen Handlung, so pflichtmäßig, so liebenswürdig sie auch ist, dennoch keinen wahren sittlichen Werth habe, sondern mit andern Neigungen zu gleichen Paaren gehe, z. E. der Neigung nach Ehre, die, wenn sie glücklicherweise auf das trifft, was in der That gemeinnützig und pflichtmäßig, mithin ehrenwerth ist, Lob und Aufmunterung, aber nicht Hochschätzung verdient; denn der Maxime fehlt der sittliche Gehalt, nämlich solche Handlungen nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht zu thun. Gesetzt also, das Gemüth jenes Menschenfreundes wäre vom eigenen Gram umwölkt, der alle | Theilnehmung an anderer Schicksal auslöscht, er hätte immer noch Vermögen, andern Nothleidenden wohlzuthun, aber fremde Noth rührte ihn nicht, weil er mit seiner eigenen gnug beschäftigt ist, und nun, da keine Neigung ihn mehr dazu anreizt, risse er sich doch aus dieser tödtlichen Unempfindlichkeit heraus und thäte die Handlung ohne alle Neigung, lediglich aus Pflicht, alsdann hat sie allererst ihren ächten moralischen Werth. 


Jan 09, 202209:06
Was ist ohne Einschränkung gut? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (Erster Abschnitt)

Was ist ohne Einschränkung gut? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (Erster Abschnitt)

Erster Teil des Ersten Abschnitts aus Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. 

"Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung für gut könnte gehalten werden, als allein ein guter Wille. Verstand, Witz, Urtheilskraft und wie die Talente des Geistes sonst heißen mögen, oder Muth, Entschlossenheit, Beharrlichkeit im Vorsatze als Eigenschaften des Temperaments sind ohne Zweifel in mancher Absicht gut und wünschenswerth; aber sie können auch äußerst böse und schädlich werden, wenn der Wille, der von diesen Naturgaben Gebrauch machen soll und dessen eigenthümliche Beschaffenheit darum Charakter heißt, nicht gut ist. Mit den Glücksgaben ist es eben so bewandt. Macht, Reichthum, Ehre, selbst Gesundheit und das ganze Wohlbefinden und Zufriedenheit mit seinem Zustande unter | dem Namen der Glückseligkeit machen Muth und hiedurch öfters auch Übermuth, wo nicht ein guter Wille da ist, der den Einfluß derselben aufs Gemüth und hiemit auch das ganze Princip zu handeln berichtige und allgemein-zweckmäßig mache; ohne zu erwähnen, daß ein vernünftiger unparteiischer Zuschauer sogar am Anblicke eines ununterbrochenen Wohlergehens eines Wesens, das kein Zug eines reinen und guten Willens ziert, nimmermehr ein Wohlgefallen haben kann, und so der gute Wille die unerlaßliche Bedingung selbst der Würdigkeit glücklich zu sein auszumachen scheint. Einige Eigenschaften sind sogar diesem guten Willen selbst beförderlich und können sein Werk sehr erleichtern, haben aber dem ungeachtet..."

(C) Benjamin Lucas

Dec 30, 202113:60
Lichtenberg: Aphorismen über Philosophie

Lichtenberg: Aphorismen über Philosophie

Die Frage: soll man selbst philosophieren? muß, dünkt mich, so beantwortet werden, als eine ähnliche: soll man sich selbst rasieren? Wenn mich jemand darüber fragte, so würde ich antworten: wenn man es recht kann, ist es eine vortreffliche Sache. Ich denke immer, daß man das letztere selbst zu lernen suche, aber ja nicht die ersten Versuche an der Kehle mache. – Handle, wie die Weisesten vor dir gehandelt haben, und mache den Anfang deiner philosophischen Übungen nicht an solchen Stellen, wo dich ein Irrtum dem Scharfrichter in die Hände liefern kann.

Volltext, in leicht veränderter Reihenfolge, hier: https://www.projekt-gutenberg.org/lichtenb/denkmit/chap003.html.

(C) Benjamin Lucas.

Dec 11, 202113:26
Lichtenberg: Lebensmaximen

Lichtenberg: Lebensmaximen

Jeden Augenblick des Lebens, er falle aus welcher Hand des Schicksals er wolle uns zu, den günstigen sowie den ungünstigen, zum bestmöglichen zu machen, darin besteht die Kunst des Lebens und das eigentliche Vorrecht eines vernünftigen Wesens.

Gelesen von Benjamin Lucas. https://www.projekt-gutenberg.org/lichtenb/denkmit/chap017.html (Volltext, in veränderter Reihenfolge.)

(C) 2021.

Dec 05, 202107:55
Angst vor dem Tod? Lukrez über das Wesen der Natur
Nov 28, 202116:24
Was ist schön? Plotin (Enneaden)
Nov 21, 202135:19
Sind Großstädter gefühllos und arrogant? Georg Simmel (Die Großstädte und das Geistesleben. Ungekürzt)

Sind Großstädter gefühllos und arrogant? Georg Simmel (Die Großstädte und das Geistesleben. Ungekürzt)

Simmels brillanter Essay diskutiert das "Seelenleben" der Großstadt.

Simmels erste These: Das Großstadtleben wird vom Verstand, nicht vom Gemüt beherrscht. Stadtgefühl statt Gefühl. Anders sei dem raschen Wechsel der Eindrücke in der Großstadt nicht beizukommen. Simmels zweite These: Die eng getakteten Reize der Großstadt und die Vorherrschaft des Geldes machen die Bewohner der Großstadt blasiert. Sie werden stumpf gegen die Unterschiede der Dinge und neigen dazu, alles in einer matten und grauen Tönung zu sehen. Simmels finale These: Die Großstadt nährt zwei Formen der Freiheit. Auf der einen Seite die Unabhängigkeit im Sinne des Liberalismus. Dieser basiere historisch auf der Annahme der Aufklärung, es gäbe eine allgemeine, geteilte Natur des Menschen. Auf der einen Seite begünstigt sie Freiheit als Ausprägung individueller Eigenarten: Angesichts der Schwierigkeit, in der Masse abgestumpfter Großstädter seine Persönlichkeit zur Geltung zu bringen, reagieren einige mit Extravaganz. Die Betonung der Unterschiede zwischen den Individuen gehe historisch auf die Romantik und die Arbeitsteilung zurück. Somit lässt sich die Großstadt Simmel zufolge als der Ort verstehen, wo zwei historisch gewachsene Freiheitsvorstellungen miteinander in den Ring treten. "Damit gewinnen sie einen ganz einzigen, an unübersehbaren Bedeutungen fruchtbaren Platz in der Entwicklung des seelischen Daseins, sie enthüllen sich als eines jener großen historischen Gebilde, in denen sich die entgegengesetzten, das Leben umfassenden Strömungen wie zu gleichen Rechten zusammenfinden und entfalten."

Volltext: https://www.projekt-gutenberg.org/simmel/grosstad/chap001.html

(C) des Hörbuchs: Benjamin Lucas 2021. Alle Rechte vorbehalten. Support me on Patreon: https://www.patreon.com/benjaminlucas Spendier' mir einen Kaffee: https://ko-fi.com/benjaminlucas

Nov 14, 202141:33
Wie erregt man Mitleid, wie schürt man Empörung? Aristoteles (Rhetorik II.8-9)
Oct 31, 202119:41
Wie erregt man Dankbarkeit/Wohlwollen? Aristoteles (Rhetorik II.7)
Oct 24, 202104:56
Wie erregt man Scham, wie macht man schamlos? Aristoteles (Rhetorik II.6)
Oct 17, 202115:01
Wie schürt man Furcht, wie macht man Mut? Aristoteles (Rhetorik II.5)
Oct 10, 202114:04
Wie erregt man Hass, wie Liebe? Aristoteles (Rhetorik II.4)
Oct 03, 202112:48
Wie erregt man Zorn, wie stimmt man Milde? Aristoteles (Rhetorik II.1-3)
Sep 26, 202130:50
Wie verdaut man Literatur? Robert Musil (Über Bücher und Literatur. Ungekürzt)
Sep 19, 202129:07
Wofür brauchen wir Dichter? Emerson (The Poet/Der Dichter. Ungekürzt)
Sep 12, 202101:15:28
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Der Muße wirklich ergeben sind überhaupt nur die, die ihre Zeit der Weisheit widmen; denn sie allein führen ein wirkliches Leben; sind sie doch nicht nur gewissenhafte Hüter ihrer eigenen Lebenszeit, sondern fügen auch den gesamten Zeitverlauf ihrem Leben hinzu; alles Schaffen vorvergangener Jahre ist ein Erwerb auch für sie. [...] Wir können mit Sokrates Zwiesprache führen, können mit Carneades zweifeln, mit Epikur der Ruhe pflegen, mit den Stoikern die menschliche Natur überwinden, mit den Zynikern über sie hinausgehen. [...] Von ihnen wird keiner dich zu sterben zwingen, aber alle werden es dich lehren; von ihnen wird keiner dir deine Jahre zunichtemachen, wohl aber die seinigen dir zugutekommen lassen. Von einer Unterhaltung mit ihnen brauchst du keine Gefahr zu befürchten; ihre Freundschaft ist nicht bedrohlich für dein Leben; die schuldige Aufmerksamkeit gegen sie verursacht dir keine Kosten. Was du willst, werden sie dir gewähren; sie werden alles tun, dir zur möglichst vollständigen Erlangung dessen zu verhelfen, was du einmal in Angriff genommen hast. Welches Glück, ein wie herrliches Alter erwartet den, der sich unter ihren Schutz gestellt hat! 

Oct 06, 202001:45